Sonntag, 18. April 2010

Illusionen

Die völlige Lustlosigkeit hatte ihn wieder eingeholt. Nach einem Wochenende, an dem man durchgehend mit den gleichen Menschen zu tun hatte, fühlte er sich am ersten Tag der Woche ohne diese Dauerbeschäftigung an wie ein Legastheniker, dem es trotz größter Sehnsucht nicht gelingen konnte, auch nur einen Satz auf ein leeres Blatt Papier zu schreiben. All die Gedanken und Gefühle, all das, was er vielleicht an einem Tag, oder an einem Wochenende erlebt hatte, all das, was ihn fertig gemacht und erfreut, was ihn in irgendeiner Weise beschäftigt hatte, schien überhaupt keinen Sinn mehr zu machen, kein roter Faden, kein Verständnis, kein Gefühl schien mehr vorhanden zu sein. All seine Hoffnungen zerbrachen wie ein Zahnstocher. Traf er nun auf die Menschen, mit denen er eine gute oder beschissene Zeit hatte, wirkten diese Menschen auf ihn so, als hätte er nie auch nur ein Wort mit ihnen geredet.

Traf er nun doch auf eine Frau, die ihn an einem dieser Tage mal ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hatte, eine Frau, die ihn vom deprimierenden Alltag ablenkte und all seine pessimistischen Gedanken zerfließen ließ, als wären es nur haltlose Illusionen gewesen, die von dann an unwichtig und lächerlich schienen und selbst ihr Recht auf Existenz völlig illusionär wirkte, so riss diese Frau dem Menschen mit der kleinsten kalten Schulter, der kleinsten Interessenlosigkeit, eine tiefe Lücke ins Herz, eine Lücke, die die Sehnsucht erstarren und erfrieren ließ. In diesem Moment wurde der Grund für das vergangene Lächeln zur Illusion, und all die Illusionen, die vorher bestanden hatten, stauten sich zusammen, um den Glauben und die Hoffnung an Geborgenheit und Liebe in unerreichbare Ferne rücken zu lassen.


Müde, ratlos, ungekämmt.

Ich denke an gemeinsame Spaziergänge an langen Fjorden, Theaterbesuche, Ausschlafen, Telefonate in der Nacht, Reisen.

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