Samstag, 8. August 2009

Luzy

Pünktlich gegen 18 Uhr waren wir verabredet. Doch kam wenige Minuten vorher die Nachricht, dass sie erst später eintreffen würde. Ich befand mich schon auf dem Weg und beschloss die Zeit zu nutzen, um noch eine warme Mahlzeit in einem Imbiss einzunehmen. Nicht nur, dass ich eigentlich garkeinen Hunger hatte, erwartete ich mir von dem Treffen nicht viel. Nachdem ich mir eine Portion Pommes-Frittes mit mehr Mühe als Lust den Rachen runter geschoben hatte, machte ich mich auf den Weg ins Café. Es war papp nass auf den Straßen; die Fransen meiner Hose schliffen durch das dreckige Wasser. Ich hatte mir zu viel Curry auf mein Essen getan, so dass ich den Geschmack erstmal mit einem Bier herunter spülte. Während ich weiter wartete, traf ich noch Dan, einen Kameraden aus guten, alten Tagen. Er bestellte uns zwei Drinks und erzählte mir, dass er einen heißen Tipp für das nächste Rennen hätte. Ich schlug ab; ich hatte schon lang nicht mehr gewettet. Der Drink bekam mir gut. Als ich weitere zehn Minuten gewartet hatte - Dan war schon wieder gegangen, beschloss ich, mir ein weiteres Bier zu besorgen. Doch als ich zur Theke ging, kam Luzy die Treppe ins Café herunter. Ich bestellte zwei Drinks. Sie umarmte mich herzlich, doch spürte ich neben ihrem nassen Mantel und ihrer warmen Wange nur meinen kratzenden Herzschlag. Ich wusste, dass wir später am Abend auseinander gehen würden und sie meinen Blumenstrauß, den ich ihr mitgebracht hatte, auf den Küchentisch stellen würde; ihn aber schon bald nicht mehr beachten und ihn an einem der Tage, wo sie keine Zeit hatte, verwelken lassen würde. Ich wollte schon wieder weg. Ich hätte mit Dan weggehen sollen. Sie goss ihren Drink in einem Tempo herunter, welches ich von Frauen Jenseits der 25 Jahre nicht kannte. Ich hielt mit und bestellte noch zwei Drinks. Sie erzählte mir, dass sie schon lange nicht mehr in der Stadt war. Allgemein redete sie nur belangloses Zeug. Mich interessierte es nicht. Ich lenkte mich ab. Das Leben war an diesem Abend nicht für mich zu Recht geschneidert und ich fand auch keine Möglichkeit, irgendwie hineinzuschlüpfen. Ich ließ nur noch laufen. Mir bekam es nicht mehr gut. Ich beschloss, sie anzulügen, um nach Hause zu kommen. Ich sagte ihr, ich hätte noch einen Freund zu pflegen, der vor wenigen Wochen beim Lauf durch den Wald von einem wilden Hund angefallen und gebissen worden wäre. Seitdem sei er auf Pillen, dürfte das Bett nicht verlassen und könnte sich keinen Krankendienst leisten. Ihr Blick sagte mir, dass sie es nicht glaubte, doch war ich sie wieder einmal los. Ich ging wieder hinaus. Mir riss es in den Magen. Gegenüber in einer Kneipe sah ich Dan. Er versoff sein letztes Geld. Er sah mich und winkte mich herüber. Sein fauler Atem stach mir ins Gesicht. Er redete völlig wirr uns haltlos und bekam keinen Satz heraus, ohne zu erwähnen, dass er einen Tipp habe, der ihm beim nächsten Mal eine Menge Geld bringen würde. Bald lag er mit beiden Armen aufgelehnt auf der Theke. Ich konnte noch schnell raus, um den letzten Bus zu meiner Wohnung zu bekommen. Ich rief sofort Pat an, doch war er scheinbar schon nicht mehr zu Hause. Schon seit einigen Tagen funktionierte meine Heizung nicht mehr. Nachts fror ich; konnte nur schlecht schlafen. Aber müde war ich noch nicht. Ich goss mir ein halbes Glas Scotch ein. Hätte ich jetzt eine Waffe, würde ich mir das Hirn wegpusten. Ich spielte oft mit diesen Gedanken. Sie taten mir gut, auch wenn ich wusste, dass ich es nie soweit kommen lassen würde. Ich trank ein weiteres Glas und schaltete den Fernseher ein. Auf irgendeinem Kanal ließ sich gerade ein Japaner an den Brustwarzen an eine Wäscheleine hängen. An anderer Stelle rieb sich eine Frau die Brüste und versprach es mir zu besorgen. Ich schaltete ab. Zum Glück hatte ich noch ein paar Flaschen Bier. Ich legte eine alte Platte von Art Blakey auf und versuchte es nochmal bei Pat. Aber wieder nahm niemand ab. Ich ging zum Kühlschrank und löffelte den Rest Bohnen aus, die ich am Morgen in einer Pfanne gebraten hatte. Währenddessen hörte ich draußen auf der Straße ein paar Jugendliche, die einen sitzen hatten. Sie grölten und traten gegen ein paar Mülltonnen von einem meiner Nachbarn. Ich hatte keinen Kontakt zu meinen Nachbarn. Nachdem ich an einem Samstagmorgen Unterhose tragend den Müll zur Tonne gebracht hatte, schauten sie mich verachtend an. Ich konnte es verstehen; ich war ein Wrack. Ich wusste, warum Luzy mich immer wieder hatte abblitzen lassen. Ich versuchte es gar nicht mehr. Mir war es nicht egal, doch versuchte ich es mir einzureden. Es bekam mir nicht gut, wenn ich mich selber anlog. Deswegen trank ich auch. Ich log mich an. Ich schrie auf und warf mit einer gewaltigen Kraft die leere Dose Bohnen an die Wand. Die Hülle der Art Blakey bekam einen mächtigen Spritzer ab. Seitdem habe ich sie mir nicht mehr angesehen.


Müde, ratlos, ungekämmt.

Ich denke an gemeinsame Spaziergänge an langen Fjorden, Theaterbesuche, Ausschlafen, Telefonate in der Nacht, Reisen.

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